AUSSENSPIEGEL TOPTHEMA Tier-2-Städte Einige Länder wie China und Indien teilen ihre Städ- te in „Tiers“ (Stufen) ein, um sie zu klassifizieren. Kri- terien sind hierfür neben der Bevölkerungsanzahl meist auch wirtschaftliche und politische Bedeu- tung. Unter „Tier-2-Städten“ versteht man gemein- hin Großstädte, die nationale Bedeutung haben, aber nicht zu den absoluten Metropolen eines Landes zählen. Übertragen auf Deutschland könnte man beispielsweise Hamburg als „Tier 1“, Hannover hingegen als „Tier 2“ betrachten. Der Kunde, weniger das verkaufte Fahrzeug, muss in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken. Eine Etablie- rung als herausragender Dienstleister erzeugt nämlich auch genau die erforderliche Loyalität, damit ein Kunde nach dem Fahrzeugkauf zum Händler zurückkehrt und so weitere Einnahmequellen eröffnet. Strategische Partner- schaften in Bezug auf Prozesseffizienz, Marketing oder Kundenbindung sind hierbei unerlässlich. Langfristig aber werden sich Händler drastischer anpas- sen müssen. Die Gesamtzahl der Händler und Händler- gruppen wird sich im Laufe der nächsten zehn Jahre voraussichtlich reduzieren. Die Prognose ist, dass sich vier Grundmodelle für Autohändler etablieren werden, die langfristigen Erfolg auf dem Markt erringen. Zukunft des Automobilhandels Die vier Modelle, die die McKinsey-Experten in ihrem Artikel vorstellen, sind Luxusmarken in Tier-2-Städten, Großhändler mit umfassenden Dienstleistungen, die Er- richtung von Plattform-Ökosystemen und Händler in ländlichen Gegenden. Händler, die sich auf Luxusmarken in Tier-2-Städten spezialisieren, können von der erhöhten Loyalität ihrer Kunden gegenüber den angebotenen Marken profitieren. Ihr Standort ist hierbei von Vorteil: Einerseits ist er groß genug, um einen angemessenen Kundenstamm zu unter- halten und über die Standortgrenzen hinaus Kunden anzuziehen, andererseits ist er durch die geringere Größe aber weniger anfällig für schnelle Veränderungen durch die angesprochenen Trends, die sich üblicherweise zu- nächst auf Metropolregionen konzentrieren. Kunden- nähe und optimierte Prozesse stehen bei diesem Modell besonders im Fokus. Erfolgreich sein können auch Großhändler, die um- fassende Dienstleistungen anbieten. Hierfür ist es not- wendig, sowohl geografisch als auch in Hinblick auf das Angebot zu expandieren. Neue Regionen müssen für das eigene Geschäft erschlossen werden, vor allem aber muss der Service erweitert werden: Partnerschaften mit lokalen Mobilitätsanbietern oder ein umfassendes Finanzierungs- und Versicherungsangebot versetzen diese Händler in die Lage, sich gegen die Veränderungen des Marktes zu behaupten. Von den vier vorgeschlagenen Modellen ist es vermut- lich die Errichtung von Plattform-Ökosystemen, die das größte Umdenken bei einem Händler erfordern. Händler, die sich für dieses Modell entscheiden, müssen auf den großen Datenschatz zurückgreifen, den sie über ihre Kunden angesammelt haben. Hier ist es das Ziel, sämt- liche Angebote auf den Kunden maßzuschneidern. Dies erfordert nicht nur viele Daten, sondern auch ein hervor- ragendes Customer-Management-System. Der Komfort des Kunden steht im Mittelpunkt: Jeder Kunde muss das Gefühl erhalten, dass sich der gesamte Service nur um ihn dreht. Hierzu gehören spezialisierte Angebote wie Abholung und Lieferung von Fahrzeugen bei einer Inspektion oder Nachlässe auf Dienstleistungen wie Fahr- zeugwäsche oder Wartungen, aber auch die Errichtung einer zentralen Plattform, auf der der Kunde die gesamte Erfahrung – von der Recherche bis zum Fahrerlebnis – steuern kann. Auch hier ist es für Händler oft sinnvoll, Partnerschaften einzugehen und Experten hinzuzuzie- hen, um die eigene Arbeitsbelastung zu verringern und die Prozesse schlank zu halten. Das vierte Erfolg versprechende Modell ist laut McKinsey die Konzentration auf ländliche Märkte, die von disrup- Der Kunde, weniger das verkaufte Fahrzeug, muss in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken. tiven Trends deutlich weniger betroffen sind als urbane Metropolregionen. In diesen Gegenden geht der Wandel weniger schnell voran, sodass den Händlern mehr Zeit bleibt, Anpassungen vorzunehmen. Eine Zusammen- arbeit mit anderen Händlern oder die Schirmherrschaft einer Händlergruppe kann hier helfen, ein traditionelles Geschäftsmodell zwar weiterzuverfolgen, aber dennoch mit den Innovationen des Marktes Schritt zu halten. Chancen der Zukunft Der Wandel in der Automobilbranche wird sich fort- setzen. Gleichzeitig aber kann es für Händler ein Irrweg sein, sich einzig und allein auf den Mobilitätswandel zu konzentrieren. Dafür sind die genauen Auswirkungen zu schwer einzuschätzen, das damit einhergehende Ri- siko zu hoch. Autohändler müssen stattdessen genau beobachten und analysieren, was in Zukunft von ihnen gefordert wird. Eine engere Beziehung zu Kunden auf- zubauen, neue Einnahmequellen zu erschließen und die eigene Effizienz zu optimieren erfordert Anstrengungen, führt aber dazu, dass die Händler den Wandel nicht nur überleben, sondern darin sogar aufblühen. 5